Ein Besuch in der Nachtschicht bei Henkel

Auf den ersten Blick wirkt am Düsseldorfer Firmengelände der Henkel-Zentrale alles verlassen. Doch die Ruhe täuscht: Etwa zehn Prozent der Henkelaner arbeiten auch nachts.

21 Uhr: Es ist ruhig geworden auf dem Werksgelände, die Parkplätze rund um Henkel im Düsseldorfer Süden haben sich geleert. Nur ein paar Kaninchen hoppeln über die Rasenflächen, froh, das Werk endlich wieder für sich zu haben. Doch die putzigen Tierchen täuschen sich. Die Nachtschicht beginnt gerade.

22:00 Uhr: Herbert Schmitz-Remberg, Wachleiter vom Dienst, hat seine Nachtschicht angetreten. Wie jeden Abend startet er seinen Rundgang durch die Betriebe. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet er bei Henkel. Die meisten Mitarbeiter, die er heute Nacht treffen wird, kennen ihn. „Ich mag die Nachtschicht, die Menschen, die hier arbeiten, und die ganz eigene Atmosphäre“, erklärt er.

22:12 Uhr: Der erste Weg führt ihn in die Konzern-Notruf- und Serviceleitstelle. Heute Nacht haben Andrea Hepp und Thomas Linse Dienst. „Das Telefon ist unser wichtigstes Arbeitsmittel. Wir kümmern uns um die unterschiedlichsten Probleme. Da hat ein Kunde eine Frage zu einem Produkt oder ein Anwohner hat etwas Ungewöhnliches auf den Parkplätzen am Werk beobachtet. Wir helfen auch, wenn ein Mitarbeiter in Indien seine Papiere verloren hat“, erläutert KNSL-Mitarbeiter Thomas Linse. Seine Kollegin ergänzt: „Es ist wichtig, in jeder Situation ruhig zu bleiben, um gezielt helfen zu können.“ Ein Beispiel lässt nicht lang auf sich warten: Das Telefon klingelt, ein Mitarbeiter meldet ein gestohlenes Fahrrad vor dem Werkstor. Hepp nimmt die Daten auf und schickt einen Werkschutzmann raus.

22:34 Uhr: Schmitz-Remberg ist derweil schon bei der Werkfeuerwehr, die im gleichen Gebäude sitzt. Dominik Urban und Sam Weiler sind auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum im 1. Stock der Feuerwache, in dem auch die Schlafräume liegen. Sie kommen vom Fitnessraum und wollen jetzt noch kurz die TV-Nachrichten sehen, bevor sie sich, wie die anderen Feuerwehrmänner, hinlegen. „An richtigen Schlaf ist kaum zu denken. Man hört auf jedes Geräusch, ist immer in Bereitschaft. Wir wissen ja nie, ob und wie oft wir zu einem Alarm rausfahren müssen“, erklären die beiden.

22:55 Uhr: Herbert Schmitz-Remberg setzt sich in sein Auto und fährt zu Tor 4 im Norden des Geländes. Dort treffen alle Lastwagen ein, die nachts das Werk anfahren. Es ist mittlerweile schon nach 22 Uhr, doch vor dem Schalter von Frank Schulz ist reger Betrieb. „Heute Nacht ist eine Menge los“, informiert er den Wachdienstleiter, bevor er sich wieder seinen „Kunden“ zuwendet. Nicht immer ist die Verständigung einfach. Die Lastwagenfahrer stammen aus unterschiedlichsten Ländern und sprechen oft kein Englisch. Schulz: „Dann reden wir eben mit Händen und Füßen.“

Vom sogenannten Nordtor geht Schmitz-Rembergs Fahrt zur Klebstoffproduktion. „Gibt’s was Besonderes?“ Boris Angerhausen, Schichtleiter der Purmelt-Produktion, kann beruhigen: alles im grünen Bereich. Er und seine Schichtkollegen produzieren Heißklebstoffe. Gerade zieht Ansetzer Thomas Latka eine Probe: „Jede Charge unserer Klebstoffe wird kontrolliert auf Zusammensetzung und Viskosität. Nur wenn sie unseren Qualitätsvorgaben entspricht, starten wir die Produktion“, erklärt er. Wie die meisten mag auch er die Nachtschicht: „Klar ist das anstrengend, aber die Arbeit macht Spaß und wir sind ein prima Team. Wenn alles gut läuft, holt einer die Betriebsverpflegung und dann setzen wir uns zusammen.“

0:24 Uhr: Das Büro der zentralen Wechselschicht ist hell erleuchtet. Dort sitzt Schichtmeister Robert Belka am Schreibtisch. Das schrille Signal erschreckt ihn nicht. Er weiß sofort: Jemand hat den Aufzugsnotruf betätigt. Ein Blick auf seinen Bildschirm und er weiß, in welchem Gebäude und in welchem Lift der Mitarbeiter ein Problem hat. Über Mikro teilt er dem Wartenden mit: „Bleiben Sie ruhig, wir kommen gleich vorbei und holen Sie dort raus.“ Wie auf ein Stichwort kehren seine beiden Mitarbeiter Marvin Schwick und Tobias Zorawski gerade von einem anderen Einsatz zurück. Sie haben einen Roboter repariert: „Jetzt läuft er wieder.“ Und schon sind sie wieder auf dem Weg, um dem Mitarbeiter im Aufzug zu helfen.

0:55 Uhr: Weiter geht’s für Schmitz-Remberg zum Kraftwerk. Henkel produziert seinen eigenen Strom. Heute Nacht überwacht Rene Friedrich mit seinem Team die Energieströme von Henkel. Er und seine vier Kollegen beobachten konzentriert die mehr als 30 Bildschirme in der Leitstelle. Ab und zu ertönt ein Signal, dann prüfen die Männer alle Parameter, justieren die Anlage. Alles läuft ruhig und routiniert ab: „Wir sind ein eingespieltes Team, kennen uns lange und wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können“, sagt Friedrich.

1:34 Uhr: Letzte Station für Schmitz-Remberg ist die Waschmittelproduktion. Georg Krause leitet heute die Schicht. Die Maschinen laufen gleichmäßig. Für Krause gehört der Schichtdienst zum Berufsalltag. Aber er weiß natürlich, dass die Wechselschicht auch immer eine Belastung bedeutet: „Man muss sein Familienleben komplett danach ausrichten. Hobbys und Treffen mit Freunden müssen sehr genau geplant werden.“ Krause sieht aber auch die Vorteile: weniger Umbauten, keine Wartungsarbeiten in der Nacht. „Außerdem sind natürlich die Schichtzulagen für den Geldbeutel auch nicht schlecht.“

2:00 Uhr: Als Schmitz-Remberg die Waschmittel-Produktion verlässt, ist es mittlerweile 2 Uhr morgens. Es ist stockdunkel, selbst die Kaninchen haben sich in ihrem Bau verkrochen, nur eine einsame Katze schleicht über das Gelände. Auf Schmitz-Remberg wartet jetzt noch Büroarbeit. Doch bevor er sich an den Schreibtisch setzt, gönnt er sich einen extra starken Kaffee: „Der vertreibt die Müdigkeit.“

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